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Die Funde

Bei den verschiedenen Grabungskampagnen und Prospektionen auf dem Wistenlacher Berg kamen hauptsächlich Keramikscherben ans Licht. Ausserdem fand man Münzen und einen bemerkenswerten Münzprägestempel sowie unter anderem verschiedene Schmuckstücke aus Bronze, Eisen und Knochen.

Die auffällig geringe Menge an Funden aus römischer Zeit und das völlige Fehlen von römischen Münzen resultieren aus der sehr kurzen Siedlungsdauer.

Ein auf dem Wistenlacher Berg gefundender Dolch

Un poignard retrouvé sur le Mont Vully

Münzen

Monnaies celtiques

Bei den 72 Münzen vom Wistenlacher Berg handelt es sich um 51 Potin-Münzen (gegossen) und 18 Quinare (geprägt) aus Silber. Ein Quinar stammt aus dem Jahr 151 v.Chr. 32 Potine mit dem Motiv eines grossen Kopfes gehören zum häufigsten Münztyp in Frankreich und im Osten des Mittellandes. Die Verwendung von römischen Prototypen (Quinare) verweisen auf die engen Verbindungen zwischen Rom und den Kelten vor dem Gallischen Krieg (58-51 v.Chr.).

Keltische Münzen vom Wistenlacher Berg

Der Fund eines Prägestempels im Sektor Des Planches im Jahre 1996 ist eine kleine archäologische Sensation. Derartige Objekte dienten zum Prägen von Münzen und sind besonders selten. Das Wistenlacher Exemplar zeigt das Negativ des Kopfes von Roma mit Flügelhelm und Locken.

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Es ist das einzige bekannte Exemplar zum Prägen des Avers eines Quinars mit der Legende KALETEDV, wie sie besonders für den Osten Galliens bekannt sind. Im Gegensatz zum mobilen Revers-Stempel, der vom Münzmeister in der Hand gehalten wird, war dieses Stück in einen Block oder Amboss eingelassen.

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Da das Revers fehlt, ist es nicht möglich, den Münzherren zu benennen, der diese Quinar genannte Münzsorte herausgab. Diese zwischen 120 und 80 v.Chr. ausgeschütteten Münzen imitieren römische Denare. Der Fund des Prägestempels erlaubt es indes nicht, mit Sicherheit auf ein Münzatelier auf dem Wistenlacher Berg zu schliessen. Auch wissen wir nicht, wie oft der Stempel tatsächlich verwendet wurde.

Keramik

Die Mehrzahl der zu ca. 200 gesicherten Gefässen gehörenden Keramikfragmente ist typisch für die Spätlatènezeit und wurde in der Region hergestellt. Daneben findet man Scherben von Gefässen, die aus dem Mittelmeerraum importiert wurden (z.B. Amphoren). Bislang gibt es keinen Nachweis für eine Keramikwerkstatt auf dem Wistenlacher Berg.

Keramikensemble vom Wistenlacher Berg

Ceramiques

Schmuck

Bei den Ausgrabungen fanden sich 17 Fibeln oder Bruchstücke davon (12 aus Bronze, 4 aus Eisen und 1 aus Silber) sowie einige Glasperlen, Teile von Armreifen und ein winziges Bernsteinstück (eventuell aus dem baltischen Raum importiert). Daneben konnten Bruchstücke kleiner Bronze- und Eisenobjekte geborgen werden, die zu Knöpfen, Ringen und einer Attache gehören sowie zwei Messer. Eisenschlacke bezeugt Schmiedehandwerk im Bereich des «Kasematte» genannten Turms. Zum Fundstoff gehören noch einige Nägel und ein Haken sowie drei Mahlsteine, zwei Bruchstücke von Mahlsteinen und ein Gewicht in Form eines halbkugeligen Kieselsteins.

Glasperlen, Fibel

Bijoux

Tiere

Welche Tiere lebten in der Gegend? Die wenigen Funde von Knochen aus der «Kasematte» (der Südturm vom Haupttor) geben einige Hinweise. Belegt sind Schaf, Ziege, Rind, Schwein, Hund, Pferd und Huhn. Diese Haustiere stellen wie in anderen Fundstellen der Eisenzeit den grössten Anteil der Fauna auf dem Wistenlacher Berg. Viele der betreffenden Tiere dienten als Nahrungslieferant, darunter auch die Hunde. Hinweise auf Jagd und Fischfang sind selten: Abgesehen von einigen Fischknochen fand man im Graben die Reste eines zerlegten Marders.

Den gefundenen Knochen zufolge scheinen Capriden (Schaf und Ziege) am häufigsten gehalten worden zu sein. Dies könnte sich aus den für sie günstigen Umweltbedingungen erklären. Zahlreich sind ausserdem Schwein und Rind. Die Rinder vom Wistenlacher Berg sind mit einer Widerristhöhe von 1 bis 1,35 m klein. Im Vergleich zu anderen Oppida, etwa dem von Manching (D), fanden sich Knochen vom Pferd selten. Kaum repräsentiert ist das Huhn, das zu dieser Zeit in Westeuropa noch nicht weit verbreitet war.

Ein Geheimnis kann gelüftet werden

Wurde das Oppidum auf dem Wistenlacherberg mit einem Ritual geweiht? Das lässt die Untersuchung der Unterkieferknochen eines Ochsen vermuten, die nicht weit vom Haupttor am Fuss des Südturms gefunden wurden. Die Schnittspuren auf den beiden Kieferknochen, die spezielle Fundsituation (die Knochen waren in vertikaler Position unter grossen Moräneblöcken vergraben, welche die Basis des Walls bilden) wie auch die spezielle Platzierung (neben dem Haupteingang des Oppidums vor dem Hauptpfosten des Turmes) lassen darauf schliessen, dass die Knochen absichtlich vergraben wurden und eine bestimmte Bedeutung haben.

Dieser Fund kann in Bezug gesetzt werden zu einem Fund von Unterkieferknochen und Schulterblättern von rund 35 Rindern aus dem Verteidigungsgraben einer keltischen Befestigung gleichen Typs in Yverdon-les-Bains (CH), ca. 40 Kilometer vom Wistenlacherberg entfernt. In Yverdon datieren die Knochenreste aus der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Sie wurden kurz vor der Zerstörung der Befestigung vergraben und könnten hier einen Akt der „Entsakralisierung“ bezeugen. Auf dem Wistenlacherberg fand man Resten von mindestens sechs Ochsen.

Aus Analogiegründen könnte man in den Unterkieferknochen des Wistenlacherberges ein „Weiheritual“ der Befestigung zur Zeit ihrer Erstellung (etwa 120 v. Chr.) sehen. Der zweifellos wichtigen Bedeutung der Befestigung entspricht die Stellung des Ochsen als Haustier von hohem Wert.

Die Archäologen Gilbert Kaenel und Philippe Curdy, die kürzlich einen Artikel zum Thema publizierten („Revue de Paléobiologie“, Genf, Dez. 2005), versuchen, gewisse Abläufe dieses „Ochsenrituals“ auf dem Wistenlacherberg zu rekonstruieren: die Tötung des ausgewählten Tieres, gefolgt von einem Festgelage, während dem gewisse Stücke verzehrt werden, vor allem die Backen und die Zunge; dann wird während einiger Wochen oder Monate der Schädel des Tieres mit dem noch ganzen Kiefer unter freiem Himmel ausgestellt; schliesslich werden die Unterkieferknochen entfernt und vor dem sich im Bau befindlichen Turm vergraben.

So könnte die rätselhafte Entdeckung, die während den Ausgrabungen gemacht wurde, erklärt werden. Wissenschaftliche Vorsicht gebietet jedoch den beiden Archäologen, ihre Gedanken nicht auf einer so schwachen Grundlage weiter zu verfolgen. Es ist fraglich, ob es sich um ein kollektives Essensritual beim Verspeisen eines Ochsen handelt oder um ein Opferritual. „Vergessen wir die unterschiedlichen Geschmacksvorlieben bei Lebensmitteln und die regionalen Traditionen nicht, die eine Rolle spielen können. Wir sind hier im Gebiet der Helvetier und nicht bei den Bellovaken des belgischen Gallien …“ schliessen die Autoren.