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Die Befestigung

Wahrzeichen der Wistenlacher Befestigung und von Pro Vistiliaco ist der einzige heute sichtbare Teil des Oppidums, die Wehrmauer der Helvetier. Ein Teil davon wurde im Oktober 2001 rekonstruiert und am 11. Mai 2002 eingeweiht.

Bis zur Verwirklichung dieses Projekts mussten aber einige Hürden genommen werden. Ein erstes Projekt wurde in den 1980er Jahren ausgearbeitet, aber nicht wie vorgesehen zum 700. Jahrestag des Bundes umgesetzt. Die Aussicht auf eine Landesausstellung in der Region der Dreiseen gab der Idee neun Auftrieb. Im 25. Gründungsjahr von Pro Vistiliaco wurde das

Der rekonstruierte Abschnitt der Wehrmauer der Helvetier wurde 2002, im Jahr der Expo.02 eingeweiht

La portion reconstituée du rempart des Helvètes a été inaugurée en 2002, année d'Expo.02

Konstruktion

Die Befestigungsanlage wurde an sechs verschiedenen Punkten nachgewiesen, die alle auf einer Achse lagen.
Die drei wesentlichen Bauelemente der 600 m langen, geradlinigen Wehrmauer am Südwest-Hang des Wistenlacher Berges sind Holz, Steine und Erde.

Die Originalstruktur besteht aus zwei parallelen Reihen vertikaler Pfosten (poteaux verticaux) von 70 bis 80 cm Durchmesser, die in ca. 3 Meter-Abständen stehen. In der Regel sind die Pfosten 1 bis 1,5 m tief eingepflanzt und ragen 3,5 bis 4 m aus dem Boden.

Die Basis der Fassade besteht aus einer Schicht grosser Geröllsteine. Darauf sitzt eine Trockenmauer aus vor Ort behauenen Molasseblöcken. Diese Blöcke stammen aus dem Graben, der vor der Befestigungsmauer und auf ihrer gesamten Länge ausgehoben wurde.

Die Stabilität der Aussenhaut garantieren 10 cm dicke Planken, die sich horizontal im Abstand von ca. 30 cm über die gesamte Höhe der Fassade verteilen. Diese Querplanken (longrines) sitzen in den vertikalen Tragpfosten.

Rechtwinklig zur Fassade verlaufen die Querverbindungen zwischen den beiden Pfostenreihen (traverses). Sie sollen das Bauwerk stabilisieren und festigen. Allerdings haben sich von diesen hölzernen Elementen keine Spuren erhalten.

Die Gesamtkonstruktion ist mit Erde verfüllt und verdichtet. Die dabei aufgefüllte Rampe reicht bis zu 30 m ins Innere der Befestigungsanlage. Eine Palisade aus Holz bekrönt die Front.

Der Graben mit flacher Sohle ist 13 m breit und 2 bis 3 m tief.

Die Konstruktion der Wehrmauer.

La structure du rempart

Tore

Bis heute sind zwei Toranlagen nachgewiesen; allerdings wurde nur das Nordtor zumindest teilweise untersucht. Es befindet sich dort, wo heute die Teilrekonstruktion der Wehrmauer steht.

Das Südtor befindet sich ca. 275 m vom Nordtor entfernt in Richtung Murtensee, nahe bei einem deutlich sichtbaren Unterbruch im Gefälle. Heute verläuft dort ein Feldweg. Die Deutung der Stelle ist weniger klar; möglicherweise wurde das Tor an dieser Stelle erbaut, weil sich hier ein kleines Plateau mit dem Südturm befindet.
Aus Symmetrie-Gründen sollte der Nordturm des Südtores dort zu lokalisieren sein, wo das Gelände ein starkes Gefälle aufweist. Die damit einhergehenden statischen Probleme löste man vielleicht dadurch, dass zuvor eine Terrasse zum Ausgleichen des Gefälles anlegt wurde. Der Niveau-Unterschied der beiden Türme des Südtores beträgt am Boden gemessen mehr als 5 Meter!

Die Zugänge im Norden und Süden sind 12 bis 15 Meter breit. Die Tore mit nach innen weisenden Torflügeln befinden sich ca. 6 Meter hinter der Mauerfassade. Das genaue Aussehen von Torvorhalle und Aufbauten ist noch unklar.

Luftbild des Fundplatzes aus den 1970er Jahren

Vue aérienne du site prise dans les années 1970.

Strasse

Die Hauptstrasse führt an der Stelle in die Anlage, wo heute die Mauerrekonstruktion steht. Sie ist in den Untergrund eingetieft und besteht aus zwei mit Steinen ausgelegten 1,50 und 2,10 m breiten Gleisen mit einer 1,50 m breiten Mittelberme. Die Dimensionen der Strasse entsprechen denjenigen anderer Oppida. Die Strasse erlaubt im Einbahnverkehr das Fortkommen traditioneller Karren und Wagen.

Beim Südtor fand sich lediglich ein Teppich aus Geröllsteinen.

Der Hauptzugangsweg besteht aus zwei separierten Gleisen und einer Mittelberme.

L'entrée principale comportait deux voies séparées d'une berme

Murus gallicus

Julius Cäsar beschreibt in seinem «Gallischen Krieg» eine Wehrmauer, die er als «murus gallicus» (= gallische Mauer) bezeichnete. Es handelt sich um eine Anlage aus Erde, die auf einer Konstruktion aus aufeinander liegenden Schichten mit horizontalen Pfosten und einer Verkleidung aus Trockenmauerwerk besteht. Seit 1875 gelang es Archäologen in Europa und vor allem in Frankreich, ca. 40 solcher Anlagen ausfindig zu machen. Sie variieren stark in technischen Details und in ihren Dimensionen.

Eine andere Art von Befestigungen, die sich vom «murus gallicus» unterscheidet, sind Mauern mit frontalen Vertikalpfosten. Von ihnen sind etwas mehr als 20 Anlagen bekannt. Geografisch finden sie sich vor allem im Osten des keltischen Europas. Das Gebiet der Helvetier, das Mittelland, liegt im Schnittpunkt der Verbreitungsgebiete dieser beiden Konstruktionstypen. Die Wehrmauer auf dem Wistenlacher Berg gehört zur letztgenannten Gruppe, die sich durch einen grossen Variantenreichtum auszeichnet.

Das Modell

1992 gab Pro Vistiliaco ein Modell der Wehranlage im Massstab 1:50 in Auftrag. Dieses von Hugo Lienhard realisierte Modell wurde anlässlich einer Ausstellung im Museum von Murten erstmals gezeigt. Anschliessend war es im Museum für Kunst und Geschichte in Freiburg, im Musée gruérien in Bulle, im Gemeindehaus Nant (Gemeinde Bas-Vully), im Lehrerseminar Freiburg, im Musée de la civilisation celtique auf dem Mont Beuvray (Bibracte F), im Musée romain von Vallon, im Amt für Archäologie des Kantons Freiburg, in der Sekundarschule Murten und in Môtier (im Lion d’Or, das Gebäude der Gemeinde Haut-Vully/FR) zu sehen, wo es sich heute befindet.

Ein zweites, ebenfalls von Hugo Lienhard gebautes Modell ist im Latenium (Hauterive NE) ausgestellt.

Das erste Modell von Hugo Lienhard

maquette

Die andere Wehrmauer

Auf dem Wistenlacher Berg gibt es noch ein andere, viel kürzere Wehrmauer. Sie befindet sich weiter oben als die Hauptwehrmauer, im Randbereich des oberen Plateaus vom Plan Châtel. Unklar ist, ob diese Anlage bereits vor der Hauptmauer existierte, ob sie zur gleichen Zeit errichtet wurde oder ob sie zu einer jüngeren Befestigungsanlage gehört. Man weiss so gut wie nichts über ihre Konstruktionsart und ihre Form. Ebenso wenig weiss man etwas über den Zugang zum Plateau vom Plan Châtel oder ein eventuell vorhandenes Tor.

Dass auf dem Wistenlacher Berg eine spätbronzezeitliche Befestigunsanlage existierte, geht aus einigen Indizien hervor: ein kleiner, im Abstand von 170 m zweifach unterbrochener Graben, ein einzelner vertikaler Eichenpfosten, Spuren eines Brandes und einige wenige Keramikscherben.

Kosten der Rekonstruktion

Die Teilrekonstruktion der «helvetischen» Wehrmauer kostete 110.000 Franken. Dazu beigetragen haben vor allem die Gemeinde Bas-Vully (10.000 Fr.), Pro Vistiliaco (40.000 Fr.) und die Loterie Romande (40.000 Fr.). Der Rest wurde im Rahmen der lokalen Veranstaltungen zur Expo.02 von den Freiburger Gemeinden der Arbeitsgruppe Expo-Vully, der Gesellschaft für Entwicklung und dem Kanton Freiburg aufgebracht.

Ihre finanzielle Unterstützung ermöglichte die Teilrekonstruktion der Wehrmauer

Bas-Vully
Bas-Vully
Pro Vistiliaco
Pro Vistiliaco
Loterie Romande

Rekonstruktion

Die heute zu besichtigende Rekonstruktion ist nicht ganz so wie das Original. Die Höhe der Rekonstruktion ohne Palisade beträgt vom Boden gemessen 5 m. Dies ist ein bisschen mehr als das, was die Archäologen für die Originalmauer schätzen. Ausserdem wurden für die Rekonstruktion moderne Techniken eingesetzt: Holzimprägnierung, Einbetonierung der Pfosten, Eisenanker, Isolierungsmaterial im Bereich der Erdauffüllung sowie Drainagen. Die zinnenförmige Palisade ist eine von mittelalterlichen Burganlagen entlehnte Erfindung. Diese Wehrmauer hat demzufolge eher einen didaktischen und illustrativen Zweck.

Die Rekonstruktion wurde in nur 6 Monaten dank der Hilfe von Reservisten der Schweizer Armee errichtet. Örtliche Bauunternehmen lieferten das Material für die Auffüllung. Die Molasseblöcke stammen aus Marly (FR), wo sie beim Ausbau der Kantonsstrasse im Anstieg von «La Crausa» abgebaut wurden. Das Holz (Eiche für Pfosten und Querhölzer, Buche für die Palisade) wurde zu einem Teil von der Gemeinde Murten zur Verfügung gestellt, der andere Teil vom Kanton. Letzteres transportierte die Armee von Posieux zum Wistenlacher Berg.

Die Armee stellt ihre Truppen zum Bau der Teilrekonstruktion der Wehrmauer zur Verfügung

L'armée a mis à disposition ses troupes pour reconstruire un bout du rempart

Das Know How

Der Bau dieser Wehrmauer findet auch heute noch die Bewunderung von Fachleuten. Die «Ingenieure» der Spätlatènezeit besassen einen ausgeprägten Sinn dafür, das Bauwerk den Widrigkeiten des Geländes anzupassen.

Als Vorarbeit für die Teilrekonstruktion der Wehrmauer untersuchte Prof. Leopold Pflug von der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) die Statik der Mauer. Er schätzt, dass zwischen 200.000 bis 435.000 Arbeitsstunden nötig waren, um eine solche Befestigung zu bauen. Rechnet man mit einer Bauzeit von einem Jahr, dann dürfte die Baustelle durchgehend 100 Facharbeiter bzw. 220 nicht spezialisierte Arbeiter beschäftigt haben. Dennoch weiss man nicht, wer tatsächlich diese Befestigung erbaut hat.

Man erkennt deutlich die Stelle, an der einst der frontale Pfosten stand. Recht und links von der Leerstelle die Verkleidung aus Molasse.

On distingue nettement l'emplacement du poteau frontal avec, de part et d'autre, le parement en molasse