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Die Ausgrabungen

Die umfangreichsten Ausgrabungen auf dem Wistelacher Berg fanden zwischen 1978 und 1984 statt.

1976 fanden drei Wissenschaftler (Hanni Schwab, Olivier Reverdin und Hans-Georg Bandi), es sei Zeit, den Wistenlacher Berg auszugraben. In ihrem Aufruf zur Gründung einer Vereinigung (Pro Vistiliaco) mit dieser Zielsetzung bezogen sie sich auf Fundstücke, die eine vorgeschichtliche Siedlung auf diesem Berg bezeugen.

«Von wissenschaftlicher Seite besteht ein grosses Interesse daran, zu erfahren, was in diesem Teil des Landes in keltischer Zeit geschehen ist» schreiben sie.

Die ehemalige Kantonsarchäologin, Hanni Schwab, die Initiantin der Ausgrabungen auf dem Wistenlacher Berg

Hanni Schwab, l'ancienne archéologue cantonale, est à l'origine des fouilles sur le Mont Vully

Auf der Suche nach der Wehrmauer

Das geschulte Auge eines Archäologen erkennt in der Geländeform des Wistenlacher Berges auf der Westflanke des Gipfelplateaus einen antiken Schutzwall: Der lange, gerade, sehr gleichmässige Hang bezeichnet die Überreste dieser Konstruktion.

Aus diesem Grund konzentrierten sich die Untersuchungen auf diesen Bereich. Sie sollten die Annahme absichern, dass es sich um eine Befestigungsanlage handelt. Dazu legten die Archäologen zunächst einen grossen Schnitt im Bereich des Hanges an und wiesen so tatsächlich eine Schutzmauer mit vorgelagertem Graben nach. Anschliessend erfolgten etwas weiter südlich und nördlich davon senkrecht zur gleichen Achse gesetzte Schnitte. Auch an diesen Stellen fanden sich die Überreste der Befestigungsanlage. Und dann: bingo… stiess man genau auf ein erstes Eingangstor – und zwar dort, wo heute der Feldweg verläuft und ein Teil der Schutzmauer rekonstruiert wurde. Im Bereich des Tores fand man ausserdem Reste eines Turmes, auch «Kasematte» genannt. Das Fundmaterial umfasst unter anderem Keramik. Ein zweites Tor konnte  weiter südlich nachgewiesen werden.

Dagegen erbrachten die verschiedenen Sondierungen im Inneren der Befestigung keine grossen Erkenntnisse: Hinweise auf eine strukturierte, dichte Besiedlung fehlen (bislang?).

Da der Fundplatz nicht gefährdet ist, wurden die Ausgrabungen auf dem Wistenlacher Berg als begrenzte Eingriffe konzipiert. Dadurch sollte möglichst wenig von der archäologischen Substanz zerstört werden.

Die bedeutendsten archäologischen Eingriffe  konzentrierten sich auf den Bereich der Schutzmauer

Diese ersten Ausgrabungen fanden unter dem Patronat von Pro Vistiliaco statt. Ab 1979 bis zum Ende der Kampagnen in den 1980er Jahren standen sie unter der Leitung von Gilbert Kaenel, der 2004 als Hauptautor den Abschlussbericht veröffentlichte (siehe Bibliografie)

Carte fouilles

Chronologie der Ausgrabungen

VORSPIEL

1959 und 1960
Erste Sondierungen von Hans Rudolph Rohrer (von Beruf Grafiker) auf dem Westhang vom Plan Châtel. Nachweis einer Befestigungsanlage.

PLANMÄSSIGE AUSGRABUNGEN

1978
Dauer: ca. 2 Monate.
Schnitte an der Westflanke, im Bereich der sichtbaren Geländebrüche im Hang.
Nachweis einer durch Brand untergegangenen Schutzmauer und einer Mauer mit frontalen Pfosten.

1979
Dauer: ca. 1,5 Monate.
Vier kleine Sondierungen (4 m2 et 2 m2) auf dem Plan Châtel (S1 bis S4) und langer Schnitt (T1) zwischen erster und zweiter Schutzmauer.
Bestätigung der ersten Beobachtungen. Fundgut: Keramik und Silices.

1980
Dauer: ca. 2 Monate.
Verlängerung des Schnitts T1; südlich davon Sondierung von 100 m2. Verschiedene Mini-Sondierungen.
Freilegung eines Grabens mit flacher Sohle und eines Grabens mit dreieckigem Querschnitt. Aufschlüsse zur Struktur der Wehrmauer (Pfostenlöcher). Nachweis einer zweiten Bauphase. Feststellung, dass zu Füssen der Wehrmauer praktisch keine archäologischen Strukturen vorhanden sind.
Eine Sondierung an der Spitze des Plan Châtel (S6) brachte keinerlei Ergebnisse.
Schnitt im Süden des Plateaus vom Plan Châtel (T2) zeigt keine Verlängerung der ersten Wehrmauer.

1981
Dauer: ca. 2 Monate.
Zwei neue Schnitte an den Enden der Wehrmauer (T3 und T4) und eine Sondierung südlich davon (S32).
Die erkenntnisreichste Kampagne. Präzisierungen zur Bauweise der Wehrmauer und ihrer Baugeschichte (Errichtung und Brand). Ausgrabung mit Nachweis eines Turmes im Bereich der so genannten «Kasematte», i.e. die Konstruktionselemente hinter der Wehrmauer. Es handelt sich um das Areal beim so genannten Nordtor (hier wurde 2002 ein Teil der Wehrmauer rekonstruiert). Reichhaltiges Fundmaterial. Vorsichtige Deutung der Brandspuren als Niederschlag der Ereignisse im Jahr 58 v.Chr.

1982
Punktuelle Interventionen im Rahmen von Parzellen-Neuaufteilungen.
Zwei im Süden parallel zu einem Weinbergweg angelegte Schnitte im Bereich der vermuteten Verlängerung der Wehrmauer (T8 und T9).
Entdeckung des so genannten Südtors und einer weiteren «Kasematte» (Turm).

1983
Dauer: 6 Wochen im Sommer und 1 Woche im November.
Zwei Schnitte neben der ersten «Kasematte» (T10 und T11), eine Sondierung im Bereich des Südtores. Ca. zehn Sondierungen im Sektor des unteren Plateaus Sur les Planches und eine Serie kleiner Schnitte in drei anderen Sektoren (T22 bis T38).
Keine bedeutenden Neufunde.

1984
Dauer: 4 Wochen.
Abtrag neben dem Nordtor (S34). Neue Sondierungen im Sektor Sur les Planches (T39 bis T43).
Nachweis des Südflügels vom Nordtor und teilweise Freilegung einer zweigleisigen, mit Steinen ausgelegten Strasse mit Mittelberme. Ein für das Verständnis der Konstruktion der Befestigungsanlage grundlegendes Element wird entdeckt: eine in die Rampe eingezogene Pfostenreihe. Die Sondierungen im Sektor Sur les Planches liefern keine Ergebnisse.

1987
Dauer: 4 Tage.
Zwei Mini-Sondierungen im Bereich des Nordtors.
Nachweis einer inneren Pfostenreihe in der Befestigung.

2001
Dauer: 1 Monat.
Ergänzende Ausgrabung des Nordtors (S34) im Hinblick auf eine Teilrekonstruktion der Wehmauer.

GRUNDPROBLEMATIK
Starke Erosionsvorgänge, die zur Verlagerung von Fundmaterial oder sogar zur Zerstörung von Schichtenabfolgen führte.

AUTORISIERTE PROSPEKTIONEN
Parallel zu den Plangrabungen, die unter der Leitung des Freiburger Amtes für Archäologie erfolgten, fand ein mit einer Prospektions-Genehmigung ausgestatteter Laie ca. sechzig keltische Münzen und einen Münzpräge-Stempel.

Dauer und Kosten

Zeit

Gilbert Kaenel schätzt, dass sich die Arbeiten im Terrain auf ungefähr 1220 Arbeitstage à 8 Stunden belaufen. Selten überstieg die Zahl der Mitarbeiter zehn Personen. Die Aufarbeitung nach der Ausgrabung nahm ca. 150 Tage in Anspruch. In dieser groben Schätzung sind weder die von Studenten durchgeführten Arbeiten, noch die Aufwendungen von Seiten der Mitarbeiter des Amtes für Archäologie des Kantons Freiburg (AAFR) eingerechnet.

Die Ausgrabungen wurden durch Mittel des Nationalfonds unterstützt.

Kosten

Der Gesamtanteil der Gelder von Seiten des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) beläuft sich auf 490 000 CHF, der Anteil von Pro Vistiliaco und der Loterie romande auf ca. 80 000 CHF. Das Amt für Archäologie des Kantons Freiburg (AAFR) übernahm die Kosten von 22 000 CHF für die ergänzende Ausgrabung im Jahr 2001. Insgesamt wurden also knapp 600 000 CHF für die Ausgrabungen ausgegeben. Diese Summe enthält allerdings nicht die verschiedenen, nicht in Rechnung gestellten Leistungen des AAFR und die unentgeltlich durchgeführten Redaktionsarbeiten der an dem Projekt arbeitenden Wissenschaftler, darunter der verantwortliche Ausgräber Gilbert Kaenel.

Fouilles talus

Eine Neuaufnahme

«Wir haben allen Grund zu glauben, dass [der Wistenlacher Berg] bedeutende Informationen über eine immer noch unklare Epoche unserer Geschichte liefern wird» schreiben 1976 Hanni Schwab, Olivier Reverdin und Hans-Georg Bandi (die drei Gründer von Pro Vistiliaco). Dreissig Jahre später wissen wir schon einiges mehr über den Wistenlacher Berg, dennoch bleibt noch vieles im Dunkeln.

Muss man deshalb die Ausgrabungen auf dem Wistenlacher Berg fortsetzen, obwohl der Fundplatz nicht gefährdet ist? Nur eine grossflächige Ausgrabung, die mehrere tausend Quadratmeter umfassen müsste, würde uns Auskunft über Typ, Qualität, Ausdehnung und Dauer der Besiedlung innerhalb der Befestigung geben.

Der Archäologe Gilbert Kaenel steckt drei denkbare Hauptachsen zukünftiger Forschungen ab:

  • eine Intervention am Süd-Ende der Wehrmauer. Sie könnte Aufschlüsse über die Verbindung des Bauwerks mit dem Rand des Hanges geben.
  • eine Intervention, die die Strasse vom Nordtor der Wehrmauer weg verfolgen würde. Dies würde klären, wie man über den Graben kam – über eine Erdrampe, einen künstlichen Übergang, eine Brücke?
  • Gab es Bestattungen vor dem Hauptzugang?